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Wir besuchten den würdigen Greis, den Herrn Stadtprediger Rabe. Obgleich über 70 Jahr alt, ist er doch noch wie ein Mann in den besten Jahren, gesund, thätig und frölich. Es ist ein großes Vergnügen, einen Greis so zu sehen. Er erzählte uns kurz die Geschichte seiner gelehrten Beschäftigungen. In seiner Jugend hatte er sich mit diplomatischen Sachen beschäftigt, von welcher Zeit wir das nützliche Calendarium Festorum (1735. 4.) erhalten haben. Da ihm verschiedenemal, wenn er ungedruckte Diplomen herausgeben wollte, andere zuvorkamen, so beschloß er sich auf ein anderes Studium zu legen und wählte die rabbinische Gelehrsamkeit, ein Fach worinn er freylich nicht so leicht einen Rival in seinen arbeiten zu fürchten hatte. Er hat dieses weitläufige und mühsame Fach so gründlich studirt, daß ihm unter christlichen Gelehrten es schwerlich jemand gleich thun wird. Seine Uebersetzung der Mischnah, die in sechs Bänden in gr. 4. zu Anspach 1760 bis 1767 gedruckt ist, wird selbst von jüdischen Gelehrten bewundert.1 Von der Gemara ist 1778 nur Ein Band gedruckt, weil der Absatz zu gering gewesen ist. Herr Rabe zeigte uns aber in verschiedenen sauber geschriebenen Folianten, daß die Uebersetzung meist fertig ist. Auch hier erkannte ich den billigen und gleichmüthigen Charakter dieses wackern Greises. Ein anderer würde auf

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1 S. Briefe die neueste Litteratur betreffend VIIr Theil. S. 98.