Georg
Philipp Harsdörffer - ein Nürnberger Barockautor im
Spannungsfeld heimischer Dichtungstraditionen und
europäischer Literaturkultur (II)
von Theodor
Verweyen
Zum 1.
Teil
Bibliographische Hinweise
Ein zweites Beispiel: Der spät
als 'Novellist' erkannte Autor Harsdörffer hat in
zahlreichen Erzählsammlungen aberhunderte Geschichten
zum Besten gegeben. Eine dieser Sammlungen, erschienen 1652,
trägt den Titel:
Heraclitus und Democritus Das ist C.
Fröliche und Traurige Geschichte: gedolmetscht Aus den
lehrreichen Schrifften H. P. Camus Bischoffs zu Belley. benebens
angefügten X. Geschichtreden aus Den Griechischen und
Römischen Historien zu übung der Wolredenheit gesamlet
[…] Nürnberg […] 1652.
In diesem Titel geben das Signalwort
"gedolmetscht" und der Name des 'gedolmetschten' Autors,
Jean-Pierre Camus, konkrete Hinweise darauf, daß es sich
bei der Erzählsammlung Harsdörffers um die
übersetzende Aneignung einer fremden Vorlage
handelt - mehr noch: im Titel sind zudem zweckgebundene, der
rhetorischen Ausbildung, der „Wolredenheit“
dienende Anleihen aus der griechischen und lateinischen
Historiographie angekündigt.
Ein drittes Beispiel
schließlich: In völliger Übereinstimmung mit
seiner Epoche und ihren Trends gilt Harsdörffers
Formanliegen immer wieder auch kürzesten Geschichten
mit ihren scharfsinnig erzählten, pointiert gewendeten und
sentenziös zubereiteten Überbietungen. Das belegt die
1655 publizierte Sammlung solcher
Kürzesterzählungen mit dem Titel:
Ars Apophthegmatica, Das ist: Kunstquellen Denckwürdiger
Lehrsprüche und Ergötzlicher Hofreden; Wie solche
Nachsinnig zu suchen / erfreulich zu finden / anständig
zugebrauchen und schicklich zu beantworten: in Drey Tausend
Exempeln / aus Hebräischen / Syrischen / Arabischen /
Persischen / Griechischen / Lateinischen / Spanischen /
Jtalianischen / Frantzösischen / Engländischen /
Nieder- und Hochteutschen Scribenten / angewiesen […]
Nürnberg […] 1655.
Natürlich ist zu fragen,
mit welchem Realitätsgehalt solche Titulaturen noch
verbunden sind, wieviel an ihnen womöglich
Phantasieprodukt ist. Vorsicht scheint geboten, freilich.
Unterdessen hat komparatistisch orientierte Literaturforschung
zum deutschen Barock Erstaunliches zutage gefördert. Ein
letztes Beispiel mit folgendem Buchtitel:
Der Grosse
Schau-Platz / Lust- vnd Lehrreicher Geschichte. Das erste
hundert. […] Franckfurt […] 1651.
In diesem "Schauplatz" ist,
obwohl dessen Titel nicht einmal einen Herkunftsbeleg
anführt, eine Schicht erzählender Prosa nachgewiesen
worden, die aus dem Spanischen stammt. Und zwar hat
Harsdörffer schon in dieser einen der vielen Werkschichten
sieben Erzählungen aus den zwölf "Novelas ejemplares"
entlehnt, die der große spanische Autor Miguel de
Cervantes Saavedra 1613 publiziert hatte: Erzählungen wie
die vom "betrogenen Betrüger", von der "Regung des
Geblüts" oder auch von der "edlen Dienstmagd". Dabei geht
der Nürnberger nicht den Weg der mehr oder weniger
wörtlichen Übersetzung - wozu er imstande gewesen
wäre -, sondern den Weg der verarbeitenden Aneignung der
Vorbilderzählungen und zugleich der Profilierung des
Exemplarischen der Mustertexte. Absicht solcher
Aufnahme ist es, unterschiedlichste 'Fälle' des Lebens,
eben Kasus, zu erzählen und somit narrativ
"durchgespielte Entscheidungshilfen", eben
"Geschichtschreibung mit Exemplen und Beyspielen",
anzubieten, auf dass "daraus die Nachwelt eine Lehre oder
Warnung zu schöpfen haben möchte".1
Und was hier mit einem
Erzählband Harsdörffers aufscheint, das gilt für
seine übrigen Sammelwerke kurzer Prosaerzählungen in
ganz und gar vergleichbarer Weise. So folgt "Der Grosse
Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte", folgt der
Erzählband "Heraclitus und Democritus"
französischen Erzählsammlungen, deren Autor
Jean-Pierre Camus (1584-1652) ist - eine ebenso auffällige
wie für die literarischen Wandlungen des 17.
Jahrhunderts wichtige Erscheinung, die
literarhistoriographisch bloß noch nicht hinreichend
gewürdigt ist.2 Der Reichtum des
Camusschen Erzählens, das seinerseits in
europäische, insbesondere italienische und spanische
Traditionen eingebettet ist, bietet Harsdörffer die
Gewähr für ein Erzählen, das auf das Exemplarische
der Darstellung in moralischer so gut wie
ästhetisch-rhetorischer Hinsicht gerichtet sein
soll.
Dabei ist das
Moralisch-Exemplarische der Geschichten Harsdörffers, Camus'
oder des Cervantes in einer Denkform begründet, die ihren
prägnantesten Ausdruck in der
"Welttheater"-Vorstellung, der "theatrum mundi"-Metaphorik, also
in der "Schauplatz"-Bildlichkeit gefunden hat - uns allen sind
die Formulierungen aus der literarischen Überlieferung
vielleicht ja noch geläufig: "Das Leben ein Traum", "Il
teatro del mondo", "Dasein heißt eine Rolle spielen"
…! Nur ist, das sei rasch ergänzt, der
metaphysisch-theologische Fundierungszusammenhang, aus dem
jene Formulierungen allein angemessen zu verstehen sind, heute
nicht mehr geläufig, das Wissen darum zwischenzeitlich
verlorengegangen. Demnach ist es so, dass Titel wie "Grosser
Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte" und das
französische Pendant "L'Amphithéâtre
sanglant" des Bischofs von Bellay ihren Grund in einer
theologischen Poetik3 haben; der wurde gerade
Mitte des 17. Jahrhunderts im Zuge der vorpietistischen
Reformbewegung im orthodoxen Protestantismus Nürnbergs eine
tiefdringende und nicht zuletzt auch in der Literatur eines
Harsdörffer, eines Birken und vieler anderer sich
ausprägende Wirkung zuteil.
*
Aber es ist nicht allein das
Moralisch-Exemplarische und exemplarisch Lehrreiche, das
antike und humanistische "prodesse", also das Zweckgebundene, das
der Literatur einen bedeutenden Rang in den lebensweltlichen
Zusammenhängen der Zeit sichern sollte. Ein eigener
Stellenwert war ebenso dem Exemplarischen der
ästhetisch-rhetorischen Durchbildung der Literatur und
dem Exemplarischen ihrer publizistisch-öffentlichen und
konversationell-kommunikativen Funktionen zugedacht. Dafür
kann das literarische Hauptwerk Harsdörffers in
herausragender Weise einstehen. Unter dem Eindruck des
französischen Ideals des "honnête homme", des
"informierten und gesellschaftlich geschliffenen
Menschentyps" orientiert sich der Nürnberger in seinen
"Frauenzimmer Gesprächspielen" nicht zuletzt am Modell
und an den Inhalten der öffentlichen
"Conférences" in Paris - jener Art informeller
Versammlung, in der Vertreter der Belletristik und der
bildungshungrigen Mittelschicht, nicht weniger aber auch
Vertreter der Naturwissenschaften über "alle
schönen Materien der Physik, der Moral, der Mathematik
und anderer Disziplinen" debattieren. Da die von
Théophraste Renaudot 1633 eröffneten und bis
1641 stattfindenden Sitzungen der "Conférences" nach
Verlauf und Inhalten in protokollartiger Form
veröffentlicht worden sind, fand der hellwache
Harsdörffer ein unerschöpfliches Reservoir an
Themen und Darbietungsweisen vor: für seine
"wissenschaftlichen Popularisierungswerke" (wie etwa die
"Delitiae Mathematicae"), für seine
Erzählsammlungen (wie die "Schauplätze") und ganz
besonders für seine Konversationsspiele. Gerade weil
diese letzteren vielfältig "Information und
Erzählung" kombinieren, "Wissen und geistiges
Vergnügen" verbinden, das "delectare" der antiken und
humanistischen Doppelbestimmung der Literatur neben dem
"prodesse" wirklich ernst nehmen, sieht man zutreffend in der
Anlage der "Gesprächspiele" eine
"Konversationsästhetik des 'impromptu'" am Werk.4 Ich kann das hier aus
zeitlichen Gründen leider im einzelnen nicht
demonstrieren. Stattdessen kann ich noch auf eine zweite
wesentliche Anregung für die ganz und gar dialogisch
angelegten "Gesprächspiele" hinweisen. Harsdörffer ist
nämlich nicht nur ein Vermittler einer
"deutsch-französischen
Konversation":
Das Forum der
Gesprächspiele nehmen sechs Personen ein; in einer
schönen Villa fernab der Welt - und in auffälliger
Nähe zur literarischen Fiktion novellistischen
Erzählens - wenden sie sich gelehrter, unterhaltender,
scharfsinniger Konversation zu. Die Eigenwilligkeit der
Runde nun will es, dass sie von einer denkwürdigen
Parität ist: drei Männer und drei Frauen sind, um im
Bilde zu bleiben, gleichermaßen 'spielberechtigt'. Die
Parität ist nicht einfach nur eine numerische, sondern mehr
noch eine gesellschaftliche - eine Parität wechselseitigen
Respekts und gegenseitiger Wertschätzung. Das ist in
einer Epoche mit Romanen pikarischer 'Frauenzimmer' wie
beispielsweise "La pícara Justina" (1605) oder,
sprechender noch, "Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und
Landstörtzerin Courasche" (1670) ebenso erstaunlich wie
interpretationsbedürftig. Entwirft Harsdörffer etwa ein
utopisches Modell künftigen gesellschaftlichen
Zusammenlebens und symmetrischer Kommunikation der
Geschlechter? Ohne diesen Aspekt grundsätzlich in Abrede
stellen zu können, möchte ich dank der Forschungen der
italienischen Germanistik (und insbesondere meines Freundes Italo
Michele Battafarano) fürs erste auf näherliegende
literarhistorische Resultate zurückgreifen. Danach sind
Poesie und Gelehrtenkultur, literarische Theorie bzw. Praxis und
lebensweltliche Erfahrung, peregrinatio academica und
süd- und westeuropäische Neuerungen auf allen Gebieten
der Literatur ein enges Bündnis eingegangen. Erneut
läßt sich vom Werktitel "Frauenzimmer
Gesprächspiele" ausgehen. Diese besondere Art von
'Gesprächspiel' richtet sich, so lautet der
Deutungsvorschlag des Titels, "nicht nur an Männer, sondern
diesmal auch an Frauen", und zwar an Frauen nicht
deswegen, "weil sie auch typisch weibliche Themen" integriert,
sondern weil sie programmatisch darauf angelegt scheint, "die
Frau als Gleichberechtigte in die Welt der Literatur
einzugliedern". Die grundlegende Anregung zu einem solchen
literarischen Unternehmen aber geht auf den Aufenthalt
Harsdörffers in Venedig, Siena und Neapel
zurück.5 Hier hat er die
italienische Variante der europäischen Akademie-Bewegung
kennengelernt: "Intronati", "Incogniti" und "Oziosi"
hießen, in poetisch sprechender Namengebung, die
Gelehrtengruppen in diesen Städten, an deren Sitzungen er
persönlich teilnahm. Er war Mitglied der Neapolitanischen
Accademia degli Oziosi. Und die Accademia degli Intronati zu
Siena "gehörte nicht nur zu den wichtigsten unter den
über zweitausend Akademien Italiens in der frühen
Neuzeit, sondern sie war auch diejenige, welche die
Verstandesspiele, die Novellentradition" und viele andere
Formen intellektueller Geselligkeit pflegte. "Dies geschah in
engem Kontakt zu einer wichtigen Frauenakademie in Siena, in der
nur Frauen dichteten und ihre Kompositionen" dem 'Urteil' "allein
unter Frauen unterwarfen".6 Auf Parität
dringendes Denken und Dichten wird darin sichtbar. Und der
Nürnberger Harsdörffer, der dies alles als Augen- und
Ohrenzeuge erlebt und erfahren hat, legte es mit seinem
"Bildungsprogramm", kosmopolitisch orientiert, darauf an, an
der "europäischen Gleichzeitigkeit" der "noch
defizitären deutschen Literatur" mitzuwirken.7
Auf ein womöglich
irritierendes Moment muß ich unbedingt noch eingehen.
Es dürfte Ihnen ja nicht entgangen sein, dass das deutsche
Œuvre Harsdörffers - im übrigen gibt es auch
ein lateinisches von ihm - weitgehend aus Übersetzungen
anderssprachlicher Literatur besteht und aus der Nachahmung
vorgelebter Formen der literarischen und gelehrten Kommunikation
im süd- und westeuropäischen Ausland lebt.
Muß sich da nicht der Verdacht des Plagiats,
wenigstens aber der Gedanke von unfreier Kunst und
Kunstausübung regen? Aufgrund der neuzeitlich-modernen
Erfahrung poetisch-schöpferischer Produktion und
Rezeption sind uns ja Erwartungen an Kunst wie Originalität
und genialer Wurf, Ungebundenheit kreativer Phantasie und
Freiheit des künstlerischen Schaffens geläufig - ich
hätte sagen sollen: selbstverständlich geworden,
und zwar deswegen diese Nuance, weil eine gar nicht tiefgreifend
genug zu denkende Zäsur in der Geschichte der Kunst und
Literatur das "Nürnberger Barock" getrennt hat von der
Modernität einer als "autonom" aufgefaßten Kunst mit
ihrem eigenen Rezeptionsanspruch "ästhetischer
Evidenz". Das Nürnberger Barock ist infolgedessen zu einer
fremden Literatur geworden, die nurmehr in der Weise der
Alterität zugänglich werden kann. Das sei mit der
Literaturtheorie Harsdörffers kurz illustriert.
Seine Theorie liegt in der Poetik von 1647-1653 in drei
Teilbänden ausgearbeitet vor:
Poetischer
Trichter [.] Die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der
lateinischen Sprache in VI. Stunden einzugiessen. […]
Durch ein Mitglied Der hochlöblichen Fruchtbringenden
Gesellschaft. Nürnberg […]
M.DC.XLVII.
So merkwürdig der Titel
heute auch anmuten mag, es muß vor einem ahistorischen
Mißverständnis gewarnt werden, welches die Geschichte
der inner- und außerliterarischen Rezeption aus ihm
gemacht hat: eine Redewendung ("Nürnberger
Trichter"), mit der man jemandem eine gewisse Unbedarftheit
nachsagen will. Nein, historisch verbindet sich mit diesem Titel
ganz und gar anderes und nichts Pejoratives: der
dominierende Gedanke ist nämlich Lehr- und Lernbarkeit der
Poesie. Dichtungstheorie mit diesem Grundgedanken hat einen
präskriptiven Charakter; Poetiken solcher Art und
Herkunft sind sog. "Anleitungs-" oder auch
"Anweisungspoetiken". Natürlich gehört so etwas,
dichtungsgeschichtlich betrachtet, der Vergangenheit
an, in dieser Vergangenheit hat es jedoch literarische und
kulturelle Überlieferungen auszubilden
vermocht, die von Stabilität und Nachhaltigkeit
bestimmt waren. Für derartige geschichtliche
Phänomene und Prozesse großer
Kontinuität pflegen wir das Wort "Tradition" zu
verwenden.
Die poetologische Grundlage
der literarischen Traditionsbildung hat ihre kanonische
Ausarbeitung in der lateinischen Antike des ersten
nachchristlichen Jahrhunderts erhalten. Ihr wichtigstes
Schlagwort lautet "Imitatio veterum", "Nachahmung der Alten" und
bezeichnet in charakterisierendem Sinn den literarischen
Wettkampf mit vorbildlichen Autoren, Musterwerken und
Werkmustern. In Harsdörffers Poetik hat sie gemäß
ihrem didaktischen Programm die schlichte Formulierung
gefunden:
Hierher
gehöret was Cicero aus Demosthene / Virgilius
aus Homero, Horatius aus Pindaro abgesehen und sehr
glückselig nachgekünstelt / daß auch jener recht
gesagt; die Römischen Redner und Poeten haben aus der
Griechen alten Mänteln neue Kleider gemachet / und sie mit
guldnen und silbernen Borten verbremet / daß sie nicht mehr
erkantlich gewesen. Oder / wie ein ander hiervon ein solches
Gleichnis gegeben: der jüngern grosse Kertze ist von der
ältern kleinen Lampen angezündet worden / und leuchtet
viel heller als jene. Zu solchem Ende lesen wir vortrefflicher
Leute Bücher / daß wir von ihnen lernen und ihrer
Wolredenheit nachahmen wollen.8
Dieses rhetorisch-poetische
Konzept - bei Harsdörffer bezeichnenderweise skizziert
im dritten Teil der Poetik von "Prob und Lob der Teutschen
Wolredenheit" - liegt seit der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts allen literarischen
Akkulturationsschüben im Europa mit einer
bestimmten Sprachbasis zugrunde. Denn diese
Akkulturationsschübe ereigneten sich zunächst im
italienischen Renaissance-Humanismus - seit Francesco Petrarcas
Beschäftigung mit der maßgeblichen
„Rhetorik“ der Antike von Quintilian - im Horizont
der antik-lateinischen Rezeptionen, dann unter Fortführung
des rhetorischen Prinzips der Imitation in den transalpinen
"Kulturnationen" in ihrer jeweiligen Literatursprache.
Dieser Akkulturationsprozeß dauert beispielsweise in
Frankreich bis zur "Querelle des Anciens et des Modernes" um die
Jahrhundertwende zur Aufklärung, in Deutschland bis zur
"genie-ästhetischen Literaturrevolution" in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es handelt sich um einen fast
vierhundertjährigen literarischen und kulturellen
Prozeß gemeineuropäischen Ausmaßes. Darin sind
Idee und Modell antik-lateinisch, die frühneuzeitlichen
Realisierungen muttersprachlich. Auf dieser Grundlage kann die
fortschrittliche Literatur der frühen Neuzeit im
Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nurmehr
europäischer, nicht mehr heimischer Art und Herkunft
sein.
Eingangs meines Vortrages habe
ich die Frage danach gestellt, ob die akademischen
Bemühungen um frühneuzeitliches und
barock-literarisches Traditionswissen heute noch
begründungsfähig sein können. Auf dem Rücken
meiner Ausführungen lief eine bestimmte Antwort darauf stets
mit. In einer Zeit, in der am "europäischen Haus"
gebaut wird, müßte es doch faszinierend sein, zu
wissen, daß es schon einmal - lange vor dem
politischen und allzu häufig mörderischen
Vorwalten der "Idee der Nation" und des "Nationalismus als
Instrument der Massenmobilisierung" - so etwas wie die Idee
"Europa" gegeben hat,9 wenngleich nur als Idee
kleiner Gelehrtengruppen mit einer bestimmten kulturellen
Identität, die man im übrigen nicht immer gleich mit
der eingefärbten Bezeichnung „Funktionselite“
versehen sollte.
Anmerkungen
1
Vgl. die instruktive Studie von Rötzer, Die Rezeption, 1990,
S. 365-383, hier S. 367. Rötzer bezieht sich, teilweise
zitierend, auf die "Zuschrifft" in: Harsdörffer, Schauplatz
Lust- und Lehrreicher Geschichte, 1978, fol.
aiiij-avv.
2
Vgl. Günther Weydt, Nachahmung und Schöpfung im Barock.
Studien um Grimmelshausen, Bern/München 1968, S. 59ff., bes.
S. 65f.
3
Vgl. dazu etwa Verweyen, Dichtungstheorie, bes. S. 178-185;
Krebs, Harsdörffer liest die französischen Dichter,
bes. S. 229-233; Wilfried Barner, Barockrhetorik. Untersuchungen
zu ihren geschichtlichen Grundlagen, Tübingen 1970, bes. S.
86ff.
4
Siehe die vorzügliche Studie von Krebs, Deutsche
Barocknovelle, bes. S. 480f. und S. 488f.
5
Battafarano, Die Frau als Subjekt, in: ders., Glanz des Barock,
1994, bes. S. 122.
6
Battafarano, Vom Dolmetschen, in: Paas, "der Franken Rom", S. 210
bzw. S. 201.
7
Battafarano, Vom Dolmetschen, S. 203.
8
Harsdörffer, Poetischer Trichter, Dritter Theil, Kap. V: Von
der Nachahmung. (de Imitatione), S. 42.
9 Siehe dazu etwa
Verweyen, Nationale Identität, S. 67-91.
Bibliographische
Hinweise
Werkbibliographie
Dünnhaupt,
Gerhard: Bibliographisches Handbuch der Barockliteratur. Hundert
Personalbibliographien deutscher Autoren des siebzehnten
Jahrhunderts, Zweiter Teil: H-P, Stuttgart 1981, S.
776-820.
Textausgaben (neuerer
Zeit, ausgewählt)
Die
Pegnitz-Schäfer. Nürnberger Barockdichtung, hrsg. v.
Eberhard Mannack, Stuttgart 1968 (Reclams Universal-Bibliothek:
Nr. 8545-48).
Die Pegnitz
Schäfer. Georg Philipp Harsdörffer Johann Klaj Sigmund
von Birken, Gedichte, hrsg. v. Gerhard Rühm, Berlin
1964.
Harsdörffer, Georg
Philipp / Birken, Sigmund v. / Klaj, Johann
Pegnesisches
Schäfergedicht 1644-1645, hrsg. v. Klaus Garber,
Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock: Bd.
8).
Harsdörffer, Georg Philipp
/ Schwenter, Daniel
Deliciae
Physico-Mathematicae oder Mathematische und Philosophische
Erquickstunden, Bd. 1: Neudruck der Ausgabe Nürnberg
1636, hrsg. u. eingel. v. Jörg Jochen Berns, Frankfurt/M.
1991 (Texte der Frühen Neuzeit: Bd. 3).
Harsdörffer, Georg
Philipp
Poetischer
Trichter, Darmstadt 1969 (Repr. Nachdruck der Ausgabe
Nürnberg 1650 = 1. Teil, Nürnberg 1648 = 2. Teil,
Nürnberg 1653 = 3. Teil).
Frauenzimmer
Gesprächspiele, hrsg. v. Irmgard Böttcher, Teil I-VIII,
Tübingen 1968-1969 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock:
Bd. 13-20).
Der Grosse
Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte, Hildesheim/New
York 1975 (Repr. Nachdruck der Ausgabe Hamburg
1656).
Der Grosse
Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde. in 1 Bd.,
Hildesheim/New York 1978 (Repr. Nachdruck der Ausgaben Frankfurt
u. Hamburg 1664).
Ars
Apophthegmatica. Das ist: Kunstquellen Denckwürdiger
Lehrsprüche und Ergötzlicher Hofreden, Bd. 1: Neudruck
der Ausgabe Nürnberg 1655, hrsg. u. eingel. v. Georg
Braungart, Frankfurt/M. 1990 (Texte der Frühen Neuzeit: Bd.
2).
Sekundärliteratur
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Knorr von Rosenroth-Gesellschaft) 10, 2000, S.
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Hans Gerd: Die Rezeption der "Novelas ejemplares" bei
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Moscherosch, in: Stefan Krimm/Wieland Zirbs (Hrsg.), Die
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München (Bayerischer Schulbuch Verlag) 1997, S.
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Zeller,
Rosmarie: Spiel und Konversation im Barock. Untersuchungen zu
Harsdörffers "Gesprächspielen", Berlin/New York
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Kulturgeschichte der germanischen Völker: Bd.
177).
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