Erlanger Liste



    Arno Holz

    Aus der »Blechschmiede«

    DRITTER GROSSSTADTLYRIKER, am gleichen Platz:

    Der Himmel blinkt wie Blut so rot,
    die Dirne tritt den Straßenkot.
    Sie ist das abendlich gewohnt -
    o Gott, wie seltsam hängt der Mond!

    Die Seele siech, mit kranker Brust,
    fast jedem gibt sie sich zur Lust,
    von schnödem Sold kaum karg belohnt -
    o Gott, wie seltsam hängt der Mond!

    Er weiß, er weiß es, sie bereuts!
    Ins Bett blickt ihr ein Christuskreuz!
    Zu oft hat sie vor ihm gefront -
    o Gott, wie seltsam hängt der Mond!



    Parodie auf die sozialkritische Großstadtlyrik, wie sie auch Arno Holz selbst geschrieben hat. Der Text steht im I. Akt seines lyrisch-satirischen Dramas "Die Blechschmiede" (1902).




Er bethrent ihre ohnge=
meine Härtigkeit/nahdäme er
sie/ wie Actäon die Dianam/
beym Baden Splitter=fasel=
nakkt gesehn.


Ode Trochaica.

Augen/ schwartze Feuer=Ballen/
und du Gold=geflammtes Hahr/
Soll ich denn itzt gantz und gar
ümb euch in Bedrühbniß fallen?
Blohß weil ich fast über hoffen
gestern sie im Teich bedroffen?
Blohß weil ich mich unterstund/
daß ich waß zu reitzend fund?

Titan hieb auff seine Pferde/
durch den grünen Sommer=Wald
dummelte sich manigfalt
ihre weiß=bewollte Heerde.
Unter Püschen/ die kaum wichen/
hatte ich sie schlau beschlichen;
gantz von Farrnen dikk bedäkkt/
hielt ich heymlig mich verstäkkt

Zwischen zweenen Büchen=Esten
hing benebst dem Schäffer=Stokk
ihr geblühmbter Athlaß=Rokk
bey dem gönstigsten Süd=Westen.
Strümpffgens/Stökkel=Schühchens/
Hösgens/
all die lihben netten Chösgens/
bundt sie mit geübter Hand
an ein Rohsen=rohtes Band.

Itzt so worff sie ab ihr Mihder/
itzt so glitt ihr Hembd ins Graß/
das bolihrte Nimpffen-Naß
spihgelte sie blizz-blank wihder.
Ihre wohl=geformte Länge
bracht mich selig ins Gedränge;
nichts nicht/ waß sich mir nicht bot/
vor Vergnügen lag ich dodt!

Zahrt farbirt die süssen Bäkkgen/
stund sie munter in dem Klee/
Schöner noch alß Lalage/
ohne irgend jedes Gäkkgen.
Ümb die himmlisch runde Dinger
spihlten die verlihbten Finger/
beyde Akseln kunt ich sehn/
die voll göldner Härgens stehn !

Zefir hörte man verstummen/
brohbend hub sie erst ihr Bein/
dan so tukkte sie sich dreyn/
wo die feuchte Fischgens schwummen.
Weiß die Schultern/ weiß die Waden/
so pflag Venus sich zu baden/
itzt halb für und itzt zurükk
o du schönes Meister=Stükk!

Sollt ich schimpfflich für ihm fleuchen?
Dihses war for mir zu vihl.
Amors süssem Zokker=Zihl
kunt ich mich nicht mehr entzeuchen.
Ümb hihr niemand zu verdriessen/
müßt ich fast mein Singen schliessen;
waß ich flehte/ waß ich bat/
war daß eine Frevel=Dhat?

Schon fast drey mahl dreizehn Stunden
zörnt mir ihr erhabner Geist;
die mein Lied alß Dafne preist/
blihb mir leider ohnverbunden.
Ümmer steh ich noch und harff ich:
Muhßgen/ Pumpel=Maußgen/ darff ich?
Lässt du mich zu dir nicht eyn?
Daß ist mehr denn Hellen=Pein!

Ümb den Haltz die Sternen=Kette/
dritt Frau Luna sanfft herfür -
itzt verrihgelt sie die Dhür/
itzt begibt sie sich zu Bette!
Dafnis/ dihser hoch=gelehrte/
der von Schäffrinnen verehrte/
Dafnis/ dihser theure Mann/
schluchtzt itzt laut=auff waß er kan!

Rauher Donner=Worte Knallen
jug mich auß dem Baradihß;
ach/ die Aller=schönste lihß
ihren Unmuht auff mich fallen!
Dorime/ nach der ich ächtzte/
der ich meinen Jammer krächtzte -
weinend irr ich hin und her :
so ein Unmäntsch lebt nicht mehr!



Parodie auf die barocke Schäfer-Dichtung. Aus: Arno Holz, Des berühmbten Schäffers Dafnis sälbst verfärtigte/ sämbtliche Freß= Sauf= & Venus=Lieder (1904).
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